Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Erinnerungen an Zentralasien

In Zeiten nach einem Umbruch, wenn sich die Wogen ein wenig geglättet haben und die Wunden zwar noch sichtbar, aber nicht mehr ganz so schmerzhaft sind, scheinen Menschen besonders aufgeschlossen für Erinnerungen zu sein - sowohl dafür, sie zu hören und zu lesen als auch, die eigenen weiterzugeben. Zentralasien erlebt derzeit eine solche Phase. Wie anderswo, so ist auch hier Geschichte immer zugleich Gegenwart, was das Erinnern der Menschen über eine reine Beschäftigung mit Vergangenen hinaushebt und für Erzähler wie Publikum besonders interessant, manchmal auch verwirrend, sogar gefährlich macht.

Diese vom Dr. Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden publizierte und von Ingeborg Baldauf herausgegebene Reihe präsentiert die Ergebnisse von Forschungsprojekten zu Zentralasien, in deren Zentrum die Oral History als Methode steht.
"Zentralasien" wird hier weit gefasst und reicht über das südliche GUS-Territorium, Afghanistan die Mongolei und Tibet in die angrenzenden Randzonen hinein.


 

Bisher erschienen:

Rzehak, Lutz (Hrsg.): Die Taliban im Land der Mittagssonne.
Geschichten aus der afghanischen Provinz. Erinnerungen und Notizen von Abdurrahman Pahwal.
2004. 144 S., 4 s/w-Abb., kart., ISBN 3-89500-416-2, EUR 16,90

Dieses Buch enthält die deutsche Übersetzung einer in Persisch (Dari) verfassten und bislang unveröffentlichten Handschrift mit persönlichen Erinnerungen und Notizen des inzwischen verstorbenen afghanischen Intellektuellen Abdurrahman Pahwal an die Zeit der Taliban-Herrschaft. Diese Aufzeichnungen sind größtenteils während der Taliban-Herrschaft angefertigt worden und bieten die erste umfassende Schilderung der Geschichte der Taliban aus einer innerafghanischen Perspektive.


Loy, Thomas: Jaghnob 1970. Erinnerungen an eine Zwangsumsiedlung in der Tadschikischen SSR.
2005. 136 S., 12 Abb., kart., ISBN 3-89500-424-3, EUR 16,90

Auf Grundlage von Archivmaterial, Pressetexten und Erinnerungsgesprächen wird die Geschichte der Zwangsumsiedlung der Jaghnobi rekonstruiert, einer kleinen Volksgruppe, die in den 1970er Jahren kollektiv aus ihrem Siedlungsgebiet im Hochgebirge in die neu erschlossenen Baumwollanbaugebiete im Steppentiefland Tadschikistans umgesiedelt wurde.


Baldauf, Ingeborg (Hrsg.): Die ohne Leichentuch Begrabenen.
Politische Verfolgung an der sowjetischen Peripherie, erzählt und erinnert durch den uzbekischen Dichter Shukrullo.
2005. 240 S., kart., ISBN 3-89500-425-1, EUR 19,90

Shukrollos Erzählung ist Erinnerung an ein linear chronologisch gerichtetes Geschehen: Inhaftierung, Inquisition, Warten, Gerichtsverfahren, Reise ins Lager, Lagerleben, Heimkehr. Innerhalb dieses Entwurfes ist die Erzählstruktur komplex: Von bestimmten Erzählknoten aus werden Erinnerungen zweiter Ordnung evoziert, ebenso erinnerte Reflexionen bezüglich der Erzählgegenwart, und Projektionen bis zur Errettung, Entlassung und Wiedervereinigung mit seinen Lieben.