Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Geschichte des Seminars

Ein kurzer Überblick zur Geschichte des Seminars für Südasien-Studien

 

Die Gründer

Wilhelm von Humboldt persönlich vermittelte Franz Bopp (1791-1867) an die damalige Berliner Universität. Elf Jahre nach deren Gründung 1810 berief man Bopp auf eine außerordentliche Professur, die schon 1825 in eine ordentliche Professur für Orientalische Literatur und allgemeine Sprachkunde umgewandelt wurde. Vierzig Jahre lang war Bopp mit dem ersten Lehrstuhl seiner Art im deutschsprachigen Raum der herausragende Repräsentant der "Indologie" und vergleichenden indo-europäischen Sprachwissenschaft.

Ergänzt wurde sein Lehrstuhl 1856 durch eine zweite indologische Professur. So brachte die Berliner Indologie bald auch weitere Größen wie Albrecht Weber und Heinrich Lüders hervor. Albrecht Weber war hier von 1856 außerordentlicher, ab 1867 ordentlicher Professor für Altindische Sprachen. Seine "Akademische Vorlesungen über indische Literaturgeschichte" (Berlin 1852, 2. erweiterte Auflage 1876) gerieten zu einem Meilenstein der deutschsprachigen Indologie. Auch Heinrich Lüders, Schüler Max Müllers in Oxford, prägte sie an der inzwischen in Friedrich-Wilhelm-Universität umbenannten Hochschule wie kaum ein Zweiter – bis zu seiner Zwangsemeritierung 1935.

Ein koloniales Kultur- und Sprachinstitut

Geleitet von außereuropäisch-imperialen Ambitionen und den Aktivitäten des Deutschen Reiches richtete die Reichsregierung unter Kanzler Otto von Bismarck 1887 unabhängig von der Universität die Gründung des "Seminars für Orientalische Sprachen" ein. Man konzentrierte sich auf die Sprachausbildung, die nach damaliger Überzeugung unabdingbare Voraussetzung einer wirtschaftlichen Expansion war. So kam dem Unterricht in "orientalischen“ Sprachen oberste Priorität zu. Chinesisch, Japanisch, Türkisch, Arabisch, Persisch und Hindustani wurden zusammen mit Religion, Sitten und Gebräuchen, neuerer Geschichte und Geografie gelehrt.

Mit dem Wegfall der Kolonien 1919 stellte man den Lehr- und Forschungsbetrieb nicht ein. Im Gegenteil: Von 1920 bis 1928 unterrichtete hier Helmut von Glasenapp "Indische Realien". Zur Sprachausbildung Hindustani/Persisch kamen 1896 Gujarati, 1929 Bengali und 1934 Tamil und Telugu hinzu. Das Tamil-Lehrbuch des Missionars Hermann Beythan galt bis weit in das 20. Jahrhundert als hilfreich und wertvoll.

Kaderschmiede im Dritten Reich

Nach langen und heftigen Debatten um seine Aufgaben und Zukunft erhielt das Seminar 1936 den Titel "Deutsche Auslandshochschule an der Friedrich-Wilhelm-Universität" – um nur vier Jahre später in "Auslandswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität" umbenannt zu werden. Es diente dabei als "Seminar für Orientalische Sprachen“ im Wesentlichen als Kaderschmiede für das Auswärtige Amt. Hier sollten Auslandsexperten mit entsprechenden Landes- und Sprachkenntnissen herangezogen werden. Ein besonderes Gewicht legte man dabei auf die diversen Sprachen und auf die Regionalwissenschaften Afrikas.

Indienkunde in der Deutschen Demokratischen Republik

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine systematische Erweiterung der Indologie statt. Die "allgemeinen Südasienstudien" umfassten Regionalstudien wie moderne Sprachen, Geschichte sowie sozio-ökonomische Entwicklungen auf dem südasiatischen Subkontinent. Damit wurde, bis dahin einzigartig an einer deutschen Universität, zu nahezu allen Ländern und Staaten Südasiens geforscht und gelehrt. Seit dem 1. Januar 1950 war Walter Ruben Professor für Indologie an der inzwischen umbenannten und wieder eröffneten "Humboldt-Universität". Bis 1964 leitete er das Institut für Indienkunde. Schon ein Jahr später legte man das Institut mit einer Abteilung des Ostasieninstituts zusammen und benannte es in "Institut für Süd- und Südostasien" um. Im Zuge der 3. Hochschulreform der DDR von 1968 wurde das Institut ein Teil der Sektion Asienwissenschaften, die DDR-weit als Leuchtturm wirken sollten.

Nach 1989

Mit der Vereinigung von DDR und BRD begann die Umstrukturierung der Berliner Universitätslandschaft. Das neu geschaffene bzw. umstrukturierte "Südasien-Institut" der Humboldt-Universität bot eine Basis für Kontinuität und Weiterentwicklung in Forschung und Lehre. Es wurde in das Institut für Asien- und Afrikawissenschaften integriert. Bald drohte jedoch die Abschaffung der Südasien-Studien. Nach vielen Protesten und einer Vakanz von fünf Jahren ist der Lehrstuhl für Gesellschaft und Kultur Südasiens schließlich seit dem 1. April 2010 wieder besetzt.

Das Seminar für Südasien-Studien (S.S.A.S.)

Mit Disziplinen wie den modernen Sprachen und Literaturen, der Geschichte, Geografie, Philosophie und Religion weist das neue Seminar für Südasien-Studien seitdem ein breit angelegtes Profil auf. Methodisch orientiert es sich an sozialwissenschaftlichen Fragestellungen und der interdisziplinären Analyse historischer, politischer, sozio-ökonomischer sowie kultureller Prozesse. Heute umfasst das Spektrum von Forschung und Lehre am S.S.A.S. Fragen der Urbanisierung, Industrialisierung, Migration/Zirkulation, der Historiografie und der Umwelt- und Geschlechtergeschichte. Außerdem bietet das S.S.A.S. im Bereich Sprach- und Literaturwissenschaften neben Hindi und Urdu auch Telugu als Zweitsprache. Mit der Einrichtung einer Querschnittsprofessur für Medialität und Intermedialität in den Gesellschaften Asien und Afrikas, deren Schwerpunkt mit der Besetzung im Herbst 2009 auf Südasien liegt, haben Studierende am S.S.A.S. eine weitere Wissenschaftsdisziplin zur Region Südasien zur Auswahl.