Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

30. Juni: Revolution und Transformation: Reflexionen zu Maos mörderischer Dialektik

Vortrag von Dr. Fabian Heubel, Academia Sinica (Taipei), Institute of Chinese Literature and Philosophy, mit einem Kommentar von Prof. Dr. Kai Marchal, Soochow University (Taipei)
  • Wann 30.06.2016 von 18:15 bis 20:00
  • Wo Johannisstr. 10, 2. OG, R 303
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Zusammenfassung

Im Anschluss an den Sinologen Wolfgang Bauer lässt sich vermuten, dass die explosive Macht von Mao Zedongs Denken der Fähigkeit entsprungen ist, die transformative Philosophie des antiken Buches der Wandlungen systematisch dem marxistischen Modell des revolutionären Klassenkampfes unterzuordnen. Wenn dialektisches Denken letztlich verlangt, immer auch gegen sich selbst zu denken, um das eigene Denken andauernd von innen her revolutionieren zu können, so war Mao zweifellos ein Meister dialektischen Denkens. Ein Antrieb zur Großen Kulturrevolution bestand dann darin, mit dem antiken Erbe im Innersten der sozialistischen Revolution radikal und gänzlich unsentimental Schluss zu machen. Von der transformativen und paradoxen Dialektik des Buches der Wandlungen her betrachtet, ist diese radikale Konsequenz jedoch zugleich höchst undialektisch. Demnach musste sich die enorme Vernichtungskraft, die Maos Denken aus der ihm innewohnenden Dialektik von revolutionärem Heroismus und transformativer Flexibilität gezogen hat, zerstörerisch gegen sich selbst kehren. Mao hat sich mit aller Macht gegen das Scheitern seiner revolutionären Vision gestemmt und damit auch gegen die Möglichkeit, dass die Weisheit paradoxen Denkens und das klassische Erbe Chinas doch noch die Oberhand gewinnen könnten. Wie heute mit dem Widerspruch zwischen Verteidigung des maoistischen Erbes und Renaissance der alten Kultur umzugehen sei, taucht damit als dringliche Frage und große Aufgabe chinesischer Gegenwartsphilosophie auf.


Kurzbiographie

Fabian Heubel ist Research Fellow am Institute of Chinese Literature and Philosophy der Academia Sinica in Taipei und assoziiertes Mitglied des Instituts für Sozialforschung an der Goethe- Universität in Frankfurt am Main. Seine Forschungsschwerpunkte sind kritische Theorie, chinesische Philosophie mit Schwerpunkt Gegenwartsphilosophie, die Entwicklung des Chinabildes in Europa und Ästhetik. Publikationen: Das Dispositiv der Kreativität, Dimensionen der Selbstkultivierung (zusammen mit Marcus Schmücker), Chinesische Gegenwartsphilosophie. Eine Einführung (erscheint 2016) sowie zahlreiche Aufsätze in chinesischer, deutscher, englischer und französischer Sprache. In diesem Jahr erscheint sein neues Buch Chinesische Gegenwartsphilosophie zur Einführung (Junius Verlag 2016).


Alle Interessent/inn/en sind herzlich willkommen. Eine schriftliche Version des Vortrags kann zur Verfügung gestellt werden. Bitte wenden Sie sich bei Interesse an Prof. Dr. Henning Klöter (henning.kloeter@hu-berlin.de).