In Erinnerung an Prof. Dr. Boike Rehbein
Das Institut für Asien- und Afrikawissenschaften trauert um Boike Rehbein, dessen plötzlicher Tod am 11. Juni 2022 eine große menschliche und fachliche Lücke hinterlässt.
Boike Rehbein wurde am 18. Februar 1965 in Berlin geboren. Er studierte Philosophie, Soziologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, Frankfurt am Main, Göttingen, Berlin und Paris. Seine Promotion in Philosophie schloss er 1996 mit einer Arbeit darüber ab, was es heißt, einen anderen Menschen zu verstehen (publiziert 1997 bei Metzler). In seiner soziologischen Habilitationsschrift beschäftigte er sich mit Globalisierungsprozessen in Laos (publiziert 2004 bei LIT). Als Schüler unter anderem von Pierre Bourdieu, Günter Dux, Jürgen Habermas, Jann Holl und Hermann Schwengel verfolgte er in seiner Forschung Fragen zur Struktur und Genese sozialer Ungleichheit, zu symbolischen Formen von Herrschaft, zu der Genealogie der kapitalistischen Gesellschaft als Herrschaftsform und zu einer kritischen Sozialtheorie in einer multizentrischen Welt. Er galt als Experte für Globalisierungsprozesse, für Festlandsüdostasien (vor allem Laos), für Sozialstrukturanalysen und für das Werk Pierre Bourdieus. Seine wichtigsten Publikationen in den letzten Jahren – neben Standardwerken zur Einführung in das Werk Bourdieus und die laotische Sprache – waren Globalization and Inequality in Emerging Societies (Palgrave 2011), Ungleichheit in kapitalistischen Gesellschaften (mit Jessé de Souza: Beltz 2014), Critical Theory after the Rise of the Global South: Kaleidoskopic Dialectic (Routledge 2018), Die kapitalistische Gesellschaft (utb 2021) und Die globalisierte Welt: Genese, Struktur und Zusammenhänge (mit Vincent Houben: utb 2022).
Dabei lag ihm auch und vor allem ein ernstgemeinter Austausch in einer multizentrischen Welt am Herzen. Er hatte über die Jahre nicht nur Gastprofessuren in Bangkok, Santiago de Chile, Zürich, Vientiane, Buenos Aires und Neu-Delhi inne, sondern unterstützte auch den Aufbau der sozialwissenschaftlichen Fakultät an der National University of Laos. Zudem fungierte Boike Rehbein als Direktor des Global Studies Programmes zunächst an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau und dann im Zuge seiner Professur für Gesellschaft und Transformation in Asien und Afrika am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, das er von 2016 – 2018 als Geschäftsführender Direktor leitete. Gelebte Lehre fand für ihn nicht nur innerhalb etablierter Universitätsstrukturen statt. Daher arbeitete er in den letzten Jahren am Aufbau von Online-Instituten in Brasilien und Indien, die es der marginalisierten Bevölkerung ermöglichen sollten, durch Bildung ihre eigene soziale Lage besser zu verstehen und ihr Selbstwertgefühl wiederherzustellen. Er war auf dem stillen Weg vom Verstehen der Gesellschaft hin zu ihrer Veränderung mittels Bildung.
Neben seinen breitgefächerten wissenschaftlichen Leistungen bleibt Boike Rehbein seinen Studierenden, Kolleginnen und Kollegen vor allem als eine Persönlichkeit in Erinnerung, die Wissenschaft und Lehre lebte. Sein Drang danach, soziale Ungleichheiten und kapitalistische Herrschaftsformen zu verstehen, machte ihn zu einem hervorragenden Redner und Hochschullehrer. Die Suche nach dem guten Leben war sein ständiger Begleiter und zeigte sich auch im Umgang mit seinen Mitmenschen, denen er mit Aufrichtigkeit und subtilem Humor begegnete.
Er hinterlässt eine große Lücke, die sich bestenfalls bruchstückhaft mithilfe dessen, was er in seinen Mitmenschen angestoßen hat, zu schließen vermag. Unser tiefes Mitgefühl gilt seinen Angehörigen.