Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Sotho

Die südöstlichen Bantu-Sprachen

Bereits 1857 führte der deutsche Philologe Dr. W.H.I. Bleek den Terminus "Bantu" ein. Das zugrundeliegende Nomen bedeutet "Mensch". Linguistisch gesehen, zeigt die Familie der Bantusprachen Gemeinsamkeiten auf und wird im ganzen Afrika südlich von Kamerun bis zum ostafrikanischen Seengebiet gesprochen. Die erheblichen Gemeinsamkeiten zwischen diesen Sprachen und Dialekten führt man generell auf eine gemeinsame Protosprache, "Ur-Bantu", zurück. Linguistische Übereinstimmungen lassen eine Aufteilung des gesamten Subsaharischen Afrikas in Sprachzonen zu. Die Sotho-Sprachen (Nordsotho, Tswana, Rotse, Südsotho), die Nguni-Sprachen (Ndebele, Zimbabwe-Ndebele, Swati, Xhosa, Zulu) sowie Venda und Tsonga gehören zu der südöstlichen Sprachzone.

 

Die Sotho-Sprachen

 

Aufgrund gemeinsamer linguistischer Eigenschaften werden die durchaus separaten und autonomen Sprachen Nordsotho, Südsotho, Tswana und Rotse als Sotho-Sprachen klassifiziert. Sprecher der verschiedenen Sotho-Sprachen können sich untereinander verständigen. Zusammengenommen werden diese Sprachen von ca. 14 Millionen Menschen in vier Ländern, einschließlich in 6 der 9 südafrikanischen Provinzen gesprochen. Während Südsotho die traditionelle Sprache von Lesotho und der südafrikanischen Provinz "Freestate" (Freistaat) ist, wird Tswana in Botswana und in Südafrika in der Provinz "North-West" gesprochen. Rotse ist die Sprache einer Gruppe von Sotho-Auswanderern in der südlichen Caprivi in Namibia. Da die Sprecher/innen der Sotho-Sprachen, sei es Nord- oder Südsotho, Rotse oder Tswana, sich mühelos untereinander verständigen können, erlangt Mann oder Frau über diese Gruppe nicht nur Zugang zu dem größten Teil der südafrikanischen Bevölkerung, sondern auch zu dem umfangreichsten geographischen Gebiet. Mit 6 Millionen Sprecher/innen sind die Nordsotho die größte Gruppe. Nordsotho ist eine moderne Bantusprache und eine der 11 offiziellen Sprachen Südafrikas. Die Sprache umfasst verschiedene Dialekte und wird innerhalb und unmittelbar außerhalb der zentral gelegenen, bevölkerungsreichsten Provinz Gauteng mit ihren großen Städten wie Egoli (umfasst das ehemalige Johannesburg) und Tshwane (umfasst das ehemalige Pretoria), in "Mpumalanga" im Nord-Osten und seit Jahrhunderten in der "Limpopo Province" im Norden Südafrikas gesprochen.

 

Nordsotho

 

AVor der Ankunft deutscher Missionare im späten 19. Jahrhunderts gab es eine ausgeprägte mündliche Tradition des Nordsotho, jedoch keine Schriftsprache. Die Missionare der Berliner Missionsgesellschaft legten die Grundlage für die Verschriftlichung der Sprache. Dazu verwendeten sie das lateinische Alphabet. Die ersten Worte in Nordsotho wurden 1862 in dem Artikel "Beiträge zur Geschichte der Bapedi" von dem Missionar Alexander Merensky veröffentlicht. Die erste Grammatik wurde nur wenige Jahre später im Jahr 1876 von dem Missionar Karl Endemann unter dem Titel "Versuch einer Grammatik des Sotho" veröffentlicht. Mit "Nordsotho" (Sesotho sa Leboa / Sotho des Nordens) ist keine einheitliche Sprache gemeint; es handelt sich um eine Bezeichnung eines geographischen Gebietes innerhalb dessen verschiedene Dialekte gesprochen werden: Pedi, Tlokwa, Lobedu, Phalaborwa, Hananwa, Pai etc. Der Dialekt, der von dem "Northern Sotho Language Board" als offizielle Sprache anerkannt und in Schulen, offiziellen Dokumenten und in den Medien verwendet wird, wird auch "Standard Northern Sotho" genannt und basiert auf Sepedi. Der Sepedi-Dialekt verdankt diese Rolle historischen Gründen. Vor mehr als einem Jahrhundert vereinten die Missionare der Berliner Missionsgesellschaft, allen voran Karl Endemann und Dr. P.E. Schwellnuss, die verschiedenen Dialekte des Nordsotho durch die Übersetzung der Bibel ins Sepedi, bereits damals einer der wichtigsten Dialekte. Würde man Sepedi aber mit Nordsotho gleichsetzen, täte man dem Reichtum dieser Sprache unrecht. Sepedi ist ein wichtiger Dialekt, der zuerst verschriftlicht wurde und deshalb dem Konversationsunterricht am Seminar für Afrikawissenschaften zugrunde gelegt wird. Der Einfluss der anderen Dialekte auf die Schriftsprache führte aber dazu, dass "Nordsotho" (Sesotho sa Leboa) heute mit keinem Dialekt identisch ist.

 

Das Sprachsystem des Nordsotho

 

Nordsotho macht keinen Gebrauch von bestimmten und unbestimmten Artikeln. Somit gibt es kein Äquivalent der Wörter "der/die/das" oder "ein/eine".

Personalpronomen und andere Wörter, die als Pronomen gebraucht werden, sind geschlechtsneutral. Daher wird im Nordsotho nicht zwischen "er", "sie" und "es" unterschieden.

Substantive werden in Klassen und Paare (Singular/Plural) zusammengefasst. Die Klasse, zu der das Substantiv gehört, kann durch den ersten Teil (Vorsilbe) indentifiziert werden. Den jeweiligen Nominalpräfixen entsprechend werden die Substantive 15 verschiedenen Klassen zugeordnet. So gehört mo-tho (Person) mit dem Präfix mo- zur ersten und ba-tho (Personen) zur zweiten Nominalklasse, während le-eba (Taube) mit dem Präfix le- zur fünften and ma-eba (Tauben) zur sechsten Klasse gehören.

Nordsotho hat ein umfassendes System, um Substantive mit Verben, Adverbien, Adjektive, Pronomen und anderen Wörtern zu verbinden. Das Kongruenzprinzip verlangt, dass allen Nomina entsprechende Partikel (subject concords) folgen:

  • Leeba le a fofa. (Die Taube fliegt.)
    Monna o thunya leeba. (Der Mann schießt auf die Taube).

Nordsotho verwendet weites gehend Affixe (Prefixes, Suffixes, Infixes) zur Bildung von Wortformen. Suffixe können Substantiven und Verben zugeordnet werden. Das Wort ntlo bedeutet beispielsweise "Haus". Wird aber die Nachsilbe -ng hinzugefügt, ändert sich die Bedeutung des Wortes. Ntlong bedeutet "am Haus/im Haus". Verben können bis zu vier verschiedene Nachsilben haben. Vergleiche die nachstehenden Beispiele:

  • ngwala - schreiben
    ngwalela - an jemanden schreiben
    ngwadile - geschrieben

Das Lautsystem ist sehr ausgefeilt, wie man z. B. an der Bedeutung der Tonlage sehen kann. Jede Silbe eines Wortes ist betont, sei es hoch " ´ " oder niedrig " ` ". Gleich buchstabierte Wörter (Idiographen) wie nòká (Fluß) und nòkà (salzen) unterscheiden sich nur im Ton. Für Nichtmuttersprachler sind die tonalen Unterschiede sehr schwer zu hören bzw. selbst zu sprechen.

 

Die Schreibweise des Nordsotho

 

Die Berliner Missionare legten die Grundlage für Nordsotho als Schriftsprache. Dazu verwendeten sie das lateinische Alphabet. Für die Laute, die keine Entsprechung im lateinischen Alphabet hatten, verwendeten sie anfänglich die Sonderzeichen des deutschen Alphabets (z. B. ä, ö, ü). Ihre Übersetzung der Bibel in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts ins Sepedi, einem der wichtigsten Dialekte des Nordsotho, gab dem Prozess der Verschriftlichung der Nordsotho-Sprache großen Auftrieb. Die Orthographie des Nordsothos wurde seit ihrer Entstehung aufgrund des deutschen Hintergrundes und des Wissens über klassische Sprachen von Berliner Missionaren weiterentwickelt und somit mehrmals überarbeitet. Wegen der Unzulänglichkeit des lateinischen Alphabets zur Wiedergabe der Lautsysteme der Sotho-Sprachfamilie wurde eine neue einheitliche Orthographie eingeführt.

- Im Falle von Nordsotho wurde neben è [wie in rèma -schlagen (z. B. Holz)] und ô (wie in bôna - sehen), die zu den Vokalen a, e, i, o, u hinzukamen, die Buchstaben y (wie in ya - gehen) und w (wie in wa - fallen) als Zeichen für die zwei Semivokale eingesetzt.
- Für die dem lateinischen Alphabet unbekannten Konsonanten wurden das Sonderzeichen š und Doppelbuchstaben (z. B. kg, ng, kh, th, ph, bj, s, ny) und drei Buchstaben (z. B. tsh, tlh, pšh, tsw, tšw, tshw) verwendet.

Ausgehend von dem uns bekannten lateinischen Alphabet lässt sich die neue Orthographie, die das Lautsystem genau erfasst, leicht meistern und auch auf Südsotho und Tswana anwenden. Das Schriftsystem des Nordsotho ist ein trennendes, indem Wortteile, die Wörter bilden, oft getrennt werden, speziell bei den Verben.

 

Die Literatur des Nordsotho

 

Nordsotho, einschließlich der verschiedenen Dialekte, hat eine alte und reiche Tradition mündlicher Literatur. Gattungen wie Sprichwörter, Rätsel, Lieder, Volksmärchen und sonstige Erzählungen werden heute noch abends am Feuer von den alten Frauen überliefert. Zu besonderen Gelegenheiten werden auch andere Gattungen wie Epen, Preis- und Initiationslieder aufgeführt.

Das erste literarische Werk in Nordsotho erschien 1935. Es handelte sich um eine Biographie von E.M. Ramaila mit dem Titel "Tša bophelo bya moruti Abraham Serote" (Das Leben des Reverend Abraham Serote). Des Weiteren veröffentlichte E.M. Ramaila eine Sammlung von "Praise Poems" mit dem Titel "Kxomo ´a thswa". Nordsotho hat heute eine beachtliche Literatur, die zusammen mit Grammatiken, Textbüchern und Lexika alle Gattungen abdeckt. Bekannte Gattungen wie Novellen (z.B. von Matsepe), Dramen, Kurzerzählungen und Lyrik (vgl. die Werke von E.M. Ramaila, E.R. Dolamo, H.H. Ramokgopa, W.T. Matlala, I.T. Maditsi, J.T. Senoamadi, C.K. Nchabeleng, H.H. Ramokgopa, S.N. Nkadimeng, M.S. Serudu, G.J. Khomo, und L. Bopape) werden dem Literaturschatz Südafrikas hinzugefügt, während internationale Klassiker wie Shakespeares Dramen ins Nordsotho übersetzt wurden. Große gesellschaftliche Themen, wie die Problematik der traditionell arrangierten Ehen, der verheerende Einfluss der Arbeitsmigration, die Transformation traditioneller Lebensformen sowie der Widerstand gegen die Apartheid und neuerdings der Kampf gegen Aids kennzeichnen die Literatur.

 

Empfohlene Literatur

 

Bennett, J. & Tsoeu, N. 2006. Multilingual illustrated dictionary. Cape Town: Juta

Bopape, H.D.N. 1982. Lenong la gauta. Pretoria: J.L. Van Schaik.

Evans, R., Gauton, R., Kaschula, R., Prinsloo, D., Ramagoshi, R. & Taljard, (Hg.). 2007. Classroom Literacies: Understanding your Multilingual Classroom. Cape Town: Bateleur Books (Pty) Ltd.

Franz, G.H. 1972.Modjadji. Johannesburg: Bona Press.

Khomo, G. J. 1969. Lesang bana. Pretoria: J.L. Van Schaik.

Kotzé, A.E. 1996. Northern Sotho phonetics and phonology. Welgemoed: Marius Lubbe Publishers.

Kriel, T.J. Prinsloo, D.J. & Sathekge, B.P. 1997. Popular Northern Sotho Dictionary. Cape Town: Pharos.

Kriel, T.J. & Van Wyk, E.B. 1966. Pukuntšu.Pretoria: Van Schaik.

Lombard, D.P., Van Wyk, E.B. & Mokgokong, P.C. 1985. Inleiding tot die grammatika van Noord Sotho.

Louwrens, J.L. & Poulos, G. 1994. A Linguistic Analysis of Northern Sotho. Pretoria: Via Afrika.

Louwrens, J.L. 1994. Dictionary of Northern Sotho Grammatical Terms. Pretoria: Via Afrika.

Mampuru, D.M. 1991. Makhura' lefehlo. Pretoria: De Jager-Haum.

Matabane, A., Leshilo, M., & Vanyaza, M. 1998. Bokamosi bja rena. Cape Town: Juta.

Tšhwene le letsetse
Pekwa le kgogo
Pudi le tokološi
Ngwana wa go utswiwa
Ntwa ya dinonyana le diphoofolo
Monna yo a bego a ile go nyaka mošomo

Matsepe, O.K. 1962. Kgorong ya mošate. Pretoria: J.L. Van Schaik.

Ramailia, E.M. 1951. Molomatsebe. Pretoria: J.L. van Schaik.

Serudu, M.S. 1991. Ditšwapitšengkgolo ya bokgabongwalo. Pretoria: Van Schaik.

Serudu, M.S. 1993. The novels of O.K. Matsepe. Cape Town: Creda Press.

Van Wyk, E.B., Groenewald, P.S., Prinsloo, D.J., Kock, J.H.M & Taljard, E. 1992. Northern Sotho for First-Years. Pretoria: J.L. Van Schaik.

Ziervogel, D. & Mokgokong, P.C. 1975. Groot Noord-Sotho woordeboek. Pretoria: Van Schaik.

 

Nordsotho im Internet

 

Sesotho sa Leboa
Northern Sotho - English Dictionary
Noun Class Reference Chart
Thobela FM