Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Mori Ôgai: "Der Briefbote" (Fumizukai)

- Schauplätze gestern und heute - 

15. Januar - 15. Juni 1996

 

Nach einem 4jährigen Studienaufenthalt von Deutschland in sein Heimatland zurückgekehrt, gab Mori Ôgai mit den sogenannten "drei deutschen Novellen" seinen Einstand in die literarische Welt Japans. Im Januar 1890 veröffentlichte er die Berliner Novelle "Das Ballettmädchen" (Maihime), im August desselben Jahres die in München spielende Novelle "Wellenschaum" (Utaka no ki) und im Januar 1891 folgte "Der Briefbote"(Fumizukai). Alle drei Novellen tragen stark autobiografische Züge. Mit dieser Fotoausstellung soll die Frage nach dem Verhältnis von Dichtung und Wahrheit noch einmal aufgeworfen werden und bestenfalls Anreize gegeben werden, doch selbst einmal auf Ôgais Spuren zu wandeln und z.B. die nur 16 km von Leipzig entfernte Park-und Schloßanlage von Machern bzw. Döben bei Grimma aufzusuchen. Während Sie sich an historischem Ort an der ländlichen Ruhe, dem Ausblick und dem Pflanzenreichtum erfreuen, entschwinden Sie bei der Lektüre von Ôgais "Briefboten" in eine andere Zeit...
 

 

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Titelblatt und Textbeispiel der Erstausgabe des "Briefboten"aus dem Jahr 1890


Ôgai hat der Aufenthalt im Raum Döben und Machern offensichtlich so tief beeindruckt, daß er im Jahr seiner Scheidung literarisch dorthin zurückkehrt und seine eigenen Konflikte auf die geheimnisvolle Hauptfigur Ida überträgt, in der er vielleicht eine Seelenverwandte entdeckt hatte:

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Der japanische Offizier Kobayashi lernt während des Manövers die Tochter des Döbener Schloßherrn kennen. Ida, die mit dem Offizier von Meerheim verlobt ist, fasziniert Kobayashi auf rätselhafte Weise. Während Ida ihm gesteht, daß sie für ihren Verlobten keine Liebe empfindet, harmoniert ihr Klavierspiel auf wunderbare Weise mit dem Flötenspiel des Schafhirten vor dem Schloß. Eine Befreiung aus den Konventionen gelingt in der Novelle nur im Traum. Am Ende vertraut Ida Kobayashi einen Brief an, durch den sie sich der ungewollten Heirat entziehen will, indem sie Hofdame beim Sächsischen König wird. 

Illustration von Harado Naojiro zur Erstveröffentlichung der Novelle "Fumizukai / Der Briefbote" in der Literaturzeitschrift "Shincho hyakushu" Nr. 12, Januar 1891, Shinchô Nihon bungaku arubamu: Mori Ôgai, Shinchôsha 1985, S. 3

 

Mori Ôgai - damals noch Rintarô Mori - nahm auf Einladung des Sächsischen Generalstabsarztes Dr. Wilhelm Roth vom 27. August 1885 bis zum 12. September 1885 an den Herbstmanövern des 12. Sächsischen Armeekorps teil. Kriegsminister Graf FABRICE, der später in der Novelle wieder auftaucht, hatte auf Ersuchen des Japanischen Gesandten Shinzo AOKI die Genehmigung beim Sächsischen König erwirkt. Welch bürokratischer Schriftverkehr bereits damals notwendig war, wird durch die ausgestellten Korrespondenzen aus dem Dresdener Militärarchiv augenscheinlich, die hiermit erstmals öffentlich gezeigt werden. (Kopien der von Beate Weber Anfang der 90er Jahre entdeckten Dokumente finden sich im Archiv der Mori-Ôgai-Gedenkstätte Berlin.)

 

Vom 5.-7. 9. 1885 nahm Ôgai in Döben im Schloß der Familie von Böhlau Quartier. Den Familienmitgliedern, allen voran der ältesten Tochter Ida, setzt er im "Briefboten" als Familie von Bülow (wie Ôgai den Namen mißverstanden haben muß) ein Denkmal. Anhand der Fotos können Sie sehen, wie genau Ôgais Beschreibungen auf die Töchter zutrafen. Ida von Böhlau hat tatsächlich erst sehr spät geheiratet; eine gewisse namentliche Ähnlichkeit ihres Gatten, von Meding, mit dem Verlobten der Novelle, von Meerheim, läßt sich ebenfalls kaum leugnen. Während Ôgai als Handlungsort der Novelle das Schloß Döben angibt, beschreibt er aber im wesentlichen die Schloßanlage und die Sehenswürdigkeiten im Park von Machern, wo er zuvor am 27./28.August genächtigt hatte. Die Pyramide auf dem Einband der Erstausgabe des "Briefboten", die sphinxartigen Löwen zu beiden Seiten der Steintreppe, die künstliche Ruine (Ritterburg), von der aus man die Eisenbahnlinie Leipzig-Dresden sehen kann u.v.a.m. befinden sich im idyllischen Park zu Machern.

Für die freundliche Hilfe beim Zustandekommen dieser Ausstellung gilt unser Dank Frau Puttkammer, Leiterin der Schloß-und Parkdirektion Machern, Herrn Peter Kayenberg, dem Fotografen des Landschaftsparks Machern, Dorothea und Hubertus von Below aus Döben, Herrn Beyer vom Arbeitskreis Sächsische Militärgeschichte e.V. Dresden, der für uns freundlicherweise die Archivdokumente transkribiert hat sowie Herrn Claus von Balance Film GbR Dresden für das Videomaterial.

Im Nachtrag der Ausstellung möchten wir sie an dieser Stelle einladen zu einem kleinen Literarischen Foto-Spaziergang