Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

„Mit Heuschrecken und wildem Honig“

Der Blaue Reiter, das Junge Rheinland und die Rezeption der japanischen Kunst

 

Der Japonismus ist wie die heutige japanische Popkultur ein transkulturelles Phänomen. In der klassischen Phase des Japonismus haben einzelne Künstler des Impressionismus und Post-Impressionismus durch die japanische Kunst und vor allem durch die Farbholzschnitte (ukiyo-e) starke Impulse erhalten, die über eine thematische oder kompositionelle Adaption hinausgingen: Die Auseinandersetzung mit der japanischen Kunst entzündete einen kreativen Prozess und führte zur Entwicklung neuer künstlerischer Formen. Der Japonismus wurde damit nicht nur zu einem Agens bei der Entstehung der modernen Kunst, sondern er bezeugt eine kulturelle Grenzüberschreitung.

 Die japanischen Farbholzschnitte haben auch einige Maler der Künstlergruppen des Blauen Reiters und des Jungen Rheinlandes beeinflusst. Seit der spektakulären Entdeckung der Japan-Sammlung von Franz Marc und der Ausstellung „Die Maler des Blauen Reiter und Japan“ im Schlossmuseum Murnau 2011 kann die Rezeption der japanischen Kunst im Werk Franz Marcs und der Künstler des Blauen Reiter nachvollzogen werden.  Darüber hinaus sind die Quellen der japanischen Bilder im Almanach des Blauen Reiter, der 1912 von Wassily Kandinsky und Franz Marc herausgegeben worden ist,  endlich identifizierbar.

Während  die Impressionisten nach Wegen suchten, den Naturalismus und die Historienmalerei zu überwinden, nutzten die Expressionisten die Vereinfachung der künstlerischen Ausdrucksmittel nach japanischen Vorbildern, vor allem um starke Emotionen und Erlebtes auszudrücken. Dabei verhalf die japanische Kunst auch ihnen zu einem entscheidenden Schritt in ihrer Suche nach einer veränderten visuellen Sprache. Wie viele europäische Künstler sammelten auch die Maler des Blauen Reiter die leicht erschwinglichen Blätter japanischer Holzschnitte und ließen sich von ihnen inspirieren. Die Maler der „Neuen Künstlervereinigung München“ und des „Blauen Reiter“ – Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Alexej  Jawlensky, Marianne von Werefkin, Franz Marc, August Macke und andere – beschäftigten sich vor dem ersten Weltkrieg mit japanischer Kunst.

Die Rezeption der japanischen Kunst der Maler des Jungen Rheinlandes Heinrich Nauen, Walter Ophey oder August Macke  (er gehört zum Blauen Reiter und zum Jungen Rheinland) wird einen weiteren Schwerpunkt des Vortrages bilden. Der japanische Einfluß erfolgte vor allem  über die Farbholzschnitte, insbesondere von Katsukawa  Utamaro,  Katsushika  Hokusai und Andô Hiroshige. Sie schufen  populäre  Blätter mit  Frauen- und Landschaftsdarstellungen,  und Alltagsszenen des damaligen Edo (heute Tôkyô). Die Farbholzschnitte waren charakterisiert durch flächige und lineare Gestaltung, sowie Randüberschneidungen, diagonale Bildstrukturen, kräftige Farbigkeit und das schmale Hochformat  bestimmten ihre Kompositionen. Die Rezeption der japanischen Kunst ermöglichte auch den Malern der Jungen Rheinlandes einen entscheidenden Sprung in der Entwicklung einer eigenen visuellen Sprache.

 

Dr. Claudia Delank

Geboren  in Krefeld. Studium der Anglistik, Ostasiatischen Kunstgeschichte und Japanologie an den Universitäten Tübingen, Köln und Cambridge; 1981 Promotion. 1982–1985 Lektorin an der Tōhoku Universität, Sendai Japan, 1986–2011 Lehraufträge für japanische Kunstgeschichte in an der Universität zu Köln, der Friedrich Wilhelm Universität Bonn, der Freien Universität Berlin und der Kunstakademie Düsseldorf. Zahlreiche Publikationen zur Rezeption der japanischen Kunst in Europa. 2005 erste Preisträgerin der Society for the Study of Japonisme, Tôkyô.  2011 Kuratierung der Ausstellung “Die Maler des Blauen Reiter und Japan” im Schloßmuseum Murnau. Freie Kuratorin, Autorin und Galeristin in Berlin.
www.delank.com