Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Eine Neuvermessung des kulturellen Feldes: zur Rolle der Konfuzius-Institute in Ost- und Westafrika

Teilprojekt im Verbundprojekt De:Link / Re:Link – Local perspectives on transregional (dis-)entanglements

 

Förderzeitraum: 01.04.2021 - 31.03.2024

Mittelgeberin:  BMBF

Projektleitung:  Prof. Dr. Susanne Gehrmann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Daniel Koßmann

 

Auf dem afrikanischen Kontinent hat sich China in den letzten 20 Jahren nicht nur mit Großbauprojekten und im Handel massiv etabliert. Chinesische Restaurants und Supermärkte gehören mittlerweile ebenso zum urbanen Bild afrikanischer Großstädte wie all die Waren des Alltagsgebrauchs made in China. Darüber hinaus wurden seit 2004 in fast allen afrikanischen Hauptstädten Konfuzius-Institute etabliert. Im Januar 2013 titelte die Neue Zürcher Zeitung einen Artikel mit „Chinas „Soft Power“ in Afrika. Stärker als die Handelbeziehungen mit China wächst in Afrika nur noch die Zahl der Konfuzius-Institute. In den von Peking lancierten Kulturzentren lernen Tausende von Afrikanern Chinesisch“. In dem Artikel ist von 27 Konfuzius-Instituten auf dem Kontinent die Rede. 2018 waren es bereits 48. Bei den ausländischen Kulturinstituten ist nur noch die Alliance française stärker vertreten.

Anders als die alteingesessenen Kulturinstitutionen wie der British Council, die Goethe-Institute und die französischen Einrichtungen (im frankophonen Afrika Institut und in den anderen Ländern Alliance genannt), siedeln sich die Konfuzius-Institute überwiegend nicht in der Innenstadt, sondern auf dem Universitätscampus an und arbeiten eng mit afrikanischen Wissenschaftler:innen zusammen. Im Rahmen der Belt and Road Initiative erscheint die Kulturdiplomatie Chinas im Vergleich zu infrastrukturellen Großprojekten auf den ersten Blick als nebensächlicher kleiner Baustein. Die Konfuzius-Institute bereichern die kulturelle und wissenschaftliche Infrastruktur Afrikas jedoch erheblich und erfreuen sich großer Beliebtheit. Dies ist nicht zuletzt der postkolonialen Situation Afrikas geschuldet, in der das ökonomische Ungleichgewicht zwischen lokalen Akteur:innen und den Institutionen der ehemaligen europäischen Kolonialmächte immer noch von Machtverhältnissen geprägt ist, welche koloniale Strukturen perpetuieren. Die Tatsache, dass alle Konfuzius-Institute von einer Doppelspitze mit je einem/einer Direktor:in aus China und aus dem Gastland besetzt sind, ist an sich bereits ein starkes symbolisches Statement für eine kooperative Kulturarbeit unter anderen Vorzeichen.   

Das Teilprojekt will ausgehend von einer kultursoziologischen Perspektive „vermessen“, wie sich die Kräfteverhältnisse in den kulturellen Szenen Afrikas aufgrund der Präsenz der Konfuzius-Institute aktuell verschieben und neu formieren. Dabei soll nicht nur die Kulturpolitik der chinesischen und europäischen Akteur:innen verglichen werden, sondern zugleich werden die Positionierungen der afrikanischen Akteur:innen untersucht. Über die offizielle und diplomatische Ebene der nationalen Kulturpolitik ausgewählter afrikanischer Staaten hinaus geht es dabei vor allem um zwei weitere Ebenen:  zum einen die Nutzung der Angebote verschiedener ausländischer Institutionen durch die afrikanische Kulturschaffende, zum anderen die Nutzung der Einrichtungen durch das allgemeine Publikum in Hinblick auf Sprachkurse, kulturelle Veranstaltungen und Infrastruktur wie Bibliotheken oder Konferenzräume. Bourdieus Theorie des kulturellen Feldes, die bereits in der postkolonialen Literaturwissenschaft in Hinblick auf ihre transnationalen Aspekte weiterentwickelt wurde, dient als theoretischer Ausgangpunkt.      

Folgende Forschungsfragen stehen im Zentrum des Teilprojekts: Fungieren die Konfuzius-Institute in Afrika als Katalysator kultureller Dekolonisierung, da sie die Vormachtstellung der etablierten europäischen Kulturinstitutionen untergraben? Oder etablieren sie ihrerseits ein eigenes dominantes Regime, unter dem afrikanische Akteur:innen weiterhin eine unterlegene, da abhängige Rolle einnehmen? Wie verändert die Offensive der Konfuzius-Institute als kultureller und akademischer Teil der Belt and Road Initiative die kulturellen Dynamiken in Afrika, aber auch die Politik der europäischen kulturdiplomatischen Institutionen in Afrika? Wie positionieren sich die afrikanischen Regierungen und wie wirkt sich die Präsenz der Konfuzius-Institute auf nationale Kultur- und Bildungspolitiken aus? Wie gehen unabhängige lokale kulturelle  Akteur:innen, die angesichts unzureichender Ressourcen oftmals nur unter großen Anstrengungen ihre eigenen Kulturzentren, Festivals und Konferenzen bespielen können, strategisch mit den Kooperationsangeboten der Konfuzius-Institute im Vergleich zu den europäischen Angeboten um? Wie nutzt das Publikum die Angebote der Konfuzius-Institute und wie beurteilt es diese im Vergleich zu Institut/Alliance française, British Council und Goethe-Institut? Wie beurteilen die europäischen Kulturinstitute die Konkurrenz Chinas, welche Strategien entwickeln sie, um sich zu behaupten? Es soll herausgearbeitet werden, wie die Kräfteverhältnisse im kulturellen Feld west- und ostafrikanischer Metropolen im Zuge des wachsenden Einflusses der Konfuzius-Institute neu ausgehandelt  werden und wie sie unter Einbezug möglichst vieler Akteur:innen-Ebenen im Dreieck Afrika-Europa-China derzeit vermessen werden können. Methodisch wird die Forschung auf längeren Perioden teilnehmender Beobachtung und Interviews mit den verschiedenen Akteur:innen aufgebaut.

 

Die Fallstudien des Projekts beziehen sich auf die Standorte die Standorte Nairobi und Dar-es-Salaam in Ostafrika sowie Dakar und Lomé für Westafrika. Die Unterschiede zwischen den beiden Regionen sind erheblich: eine traditionell dominante französische Kulturpolitik in Westafrika steht einem deutlich diversifizierteren Feld in Ostafrika gegenüber. Zugleich sind sich Nairobi und Dakar als aufstrebende Metropolen mit wachsender Wirtschaftskraft und einer starken lokalen Kulturszene in einigen Aspekten ähnlicher als die strukturschwächeren Städte Lomé und Dar es Salaam, die beide als wichtige Hafenstädte dennoch strategisch bedeutsame Standorte sind. Das Projekt ist mit einer Forschungsstelle für Ostafrika ausgestattet, so dass Nairobi und Dar es Salaam im Fokus der Forschung stehen und dort längere Feldaufenthalte stattfinden. Hier befinden sich auch die beiden Partneruniversitäten der HU, die University of Nairobi und die University of Dar es Salaam, mit denen im Rahmen des Projekts vertieft kooperiert wird. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Partneruniversitäten wird angestrebt, indem bestimmte Teilbereiche der Datenerhebung des Projekts vor Ort im Forschungstandem mit dem Berliner Bearbeiter umgesetzt werden und für eigene Forschungsziele in Kenia respektive Tanzania genutzt werden können. Die PI wird kürzere Forschungsaufenthalte in Dakar und Lomé durchführen und eine vergleichende Perspektive zu Westafrika in das Projekt einbringen.